Zu viel Kalium im Blut (Hyperkaliämie)
Die Ursachen sind Kaliumverschiebungen oder eine erhöhte Aufnahme bzw. vermehrte Retention von Kalium. Die Umverteilung von Kalium tritt überwiegend bei Azidosen auf. Intrazelluläres Kalium gelangt im Austausch gegen extrazelluläre Protonen ins Plasma.
Die retentionsbedingte Hyperkaliämie findet man häufig beim akuten Nierenversagen, chronischer Niereninsuffizienz, Mineralokortikoidmangel und Gabe von Kalium-sparenden Diuretika (Spironolacton, Amilorid). Klinisch bedeutsam sind hier ebenfalls die kardialen Wirkungen. Es besteht eine Bradykardie, die zum Kammerstillstand führen kann.
Zu hohe Werte können ganz unterschiedliche Ursachen haben:
- Störung der Nierenfunktion durch akute oder chronische Nierenschwäche oder aber Tumoren. Die Niere scheidet dabei zu wenig Kalium aus.
- Medikamente: harntreibende Mittel (Diuretika), Antibiotika, ACE-Hemmer, entzündungshemmende Mittel
- Übersäuerung des Blutes (zum Beispiel bei Diabetes)
- Hormonstörungen
- Insulinmangel (bei Diabetes oder Mangelernährung)
- Zerstörung von Zellen und/oder roten Blutkörperchen (Erythrozyten), zum Beispiel durch Verletzungen, Gifte, bei Tumorbehandlung, bei erblich bedingten Blutkrankheiten
Bei einer Hyperkaliämie liegt der Kaliumplasmaspiegel definitionsgemäß > 5,5 mmol/l. Sie tritt bei bis zu 10 % der stationären Patienten auf; eine schwere Hyperkaliämie (> 6,0 mmol/l) mit signifikant erhöhtem Mortalitätsrisiko bei etwa 1 %. Obwohl akut auch eine Umverteilung und eine verminderte Aufnahme in die Gewebe zur Hyperkaliämie führen können, ist die reduzierte renale Kaliumausscheidung die häufigste Ursache. Eine übermäßige Kaliumzufuhr ist wegen der adaptiven Steigerung der renalen Sekretion eine seltene Ursache, kann jedoch bei entsprechend empfindlichen Patienten einen wichtigen Beitrag zur Hypokaliämie leisten, beispielsweise bei Diabetikern mit hyporeninämischem Hypoaldosteronismus und chronischer Nierenerkrankung. Arzneimittel, die sich auf die Renin-Angiotensin-Aldosteron-Achse auswirken, sind eine weitere häufige Ursache der Hyperkaliämie.
Was ist eine Pseudohyperkaliämie?
Die Hyperkaliämie muss von der unechten Hyperkaliämie oder Pseudohyperkaliämie abgegrenzt werden, einer künstlichen Erhöhung des Serumkaliums durch die Freisetzung von Kalium während oder nach der Blutentnahme. Eine Pseudohyperkaliämie kann bei exzessiver Muskelarbeit während der Blutentnahme auftreten (Faustballen usw.), bei einer deutlichen Zunahme der zellulären Blutbestandteile (Thrombozytose, Leukozytose und/oder Erythrozytose) mit In-vitro-Ausstrom von Kalium sowie bei starker Angst während der Blutentnahme mit respiratorischer Alkalose und Umverteilungs-Hyperkaliämie. Auch die Kühlung des Bluts nach der Entnahme führt zur verminderten zellulären Kaliumaufnahme. Bei hohen Umgebungstemperaturen haben hyperkaliämische Patienten durch die vermehrte Aufnahme von Kalium in die Zellen normale Kaliumwerte und/oder wird bei normokaliämischen Patienten fälschlicherweise eine Hypokaliämie diagnostiziert. Schließlich gibt es noch zahlreiche genetische Subtypen der hereditären Pseudohyperkaliämie durch eine erhöhte passive Permeabilität der Erythrozyten für Kalium. Ursächliche Mutationen betreffen beispielsweise den Anion Exchanger der Erythrozyten (AE1, kodiert durch das SLC4A1-Gen) mit einer Reduktion des Anionentransports der Erythrozyten, einer hämolytischen Anämie, einem neuen AE1- vermittelten Kaliumleck und einer Pseudohyperkaliämie.
Umverteilung und Hyperkaliämie
Es gibt verschiedene Mechanismen, die zum Ausstrom des intrazellulären Kaliums und dadurch zur Hyperkaliämie führen. Bei einer Azidose nehmen die Zellen vermehrt Wasserstoffionen auf und geben im Gegenzug Kaliumionen ins Blut ab. Dieser K+-H+-Austausch dient vermutlich der Aufrechterhaltung des extrazellulären pH-Werts. Allerdings ist dieser Effekt auf metabolische Azidosen ohne Anionenlücke sowie in geringerem Umfang auf respiratorische Azidosen begrenzt. Bei Azidosen mit Anionenlücke, wie der Laktatazidose und der Ketoazidose, entsteht keine Hyperkaliämie durch eine azidotisch bedingte Verschiebung. Bei der Hyperkaliämie durch hypertones Mannitol, hypertone Kochsalzlösung oder intravenöses Immunglobulin spricht man allgemein vom Effekt der gelösten Stoffe, da Wasser entlang des osmotischen Gradienten aus den Zellen ausströmt.
Diabetiker neigen bei intravenöser Gabe von hypertoner Glukoselösung zur Entwicklung einer osmotischen Hyperkaliämie, wenn nicht begleitend ausreichend Insulin gegeben wird. Katione Aminosäuren, vor allem Lysin, Arginin und die strukturell verwandte ε-Aminocapronsäure, verursachen durch einen effektiven Kation-Kalium-Austausch unbekannter Art eine Hyperkaliämie durch Kaliumausstrom. Digoxin hemmt die Na+/K+-ATPase und stört die Kaliumaufnahme in den Skelettmuskel, sodass eine Digoxinüberdosierung grundsätzlich zur Hyperkaliämie führt. Die Aufnahme strukturell verwandter Glykoside bestimmter Pflanzen (gelber Oleander, Fingerhut usw.) und der AgaKröte (Bufo marinus, Bufadienolid) kann ebenfalls zur Hyperkaliämie führen. Auch Fluoridionen hemmen die Na+/K+-ATPase, sodass eine Fluoridvergiftung grundsätzlich mit einer Hyperkaliämie einhergeht.
Succinylcholin depolarisiert über Acetylcholinrezeptoren (AChR) die Muskelzellen und führt so zum Ausstrom von Kalium. Daher ist es bei Patienten mit Hitzetrauma, neuromuskulärem Schaden, Inaktivitätsatrophie, Mukositis und längerer Immobilisierung kontraindiziert. In diesen Fällen finden sich auf der Plasmamembran der Muskelzellen eine Vermehrung und Umverteilung der AChR. Die Depolarisierung dieser hochregulierten AChR durch Succinylcholin fürt zum übermäßigen Kaliumausstrom durch Rezeptor-assoziierte Kationenkanäle und bewirkt eine akute Hyperkaliämie.
Behandlung einer Hyperkaliämie durch den Arzt
Elektrokardiografische Symptome der Hyperkaliämie sollten als medizinischer Notfall gewertet und schnellstmöglich behandelt werden. Patienten mit signifikanter Hyperkaliämie (Kaliumkonzentration im Plasma ≥ 6,5 mmol/l) ohne EKG-Veränderungen sollten jedoch ebenfalls aggressiv behandelt werden, da EKG-Veränderungen ein unzuverlässiger Prädiktor für eine kardiale Toxizität sind. Notfallmaßnahmen bei Hyperkaliämie umfassen ggf. das sofortige Absetzen von Medikamenten, die stationäre Einweisung, ein kontinuierliches kardiales Monitoring und die sofortige Behandlung. Die Behandlung der Hyperkaliämie wird in drei Stadien unterteilt:
- Sofortige Umkehr der kardialen Effekte der Hyperkaliämie. Intravenöse Kalziumgaben schützen das Herz, während Maßnahmen zur Korrektur der Hyperkaliämie ergriffen werden. Kalzium erhöht die Reizschwelle des Aktionspotenzials und reduziert die Exzitabilität, ohne das Ruhemembranpotenzial zu verändern. Durch Wiederherstellung des Unterschieds zwischen Ruhe- und Schwellenpotenzial kehrt Kalzium die hyperkaliämische Depolarisationsblockade um. Empfohlen wird die intravenöse Gabe von 10 ml Kalziumglukonat 10 % (3–4 ml Kalziumchlorid) über 2–3 Minuten unter Überwachung der Herzfunktion. Die Wirkung der Infusion setzt nach 1–3 Minuten ein und hält für 30– 60 Minuten an. Bei weiterhin unveränderten oder wieder auftretenden EKG-Befunden kann diese Dosis erneut gegeben werden. Eine Hyperkalzämie verstärkt die kardiale Toxizität von Digoxin, daher muss intravenöses Kalzium bei Patienten, die dieses Arzneimittel einnehmen, mit ausgesprochener Vorsicht verabreicht werden. Gegebenenfalls können 10 ml der 10%igen Kalziumglukonatlösung mit 100 ml 5%iger Glukose in Wasser vermischt und über 20–30 Minuten infundiert werden, um eine akute Hyperkalzämie zu verhindern.
- Rapide Senkung der Kaliumkonzentration im Plasma durch Verschiebung in die Zellen. Insulin senkt die Kaliumkonzentration im Plasma durch Verschieben von Kalium in die Zellen. Empfohlen wird die intravenöse Gabe von 10 Units Altinsulin und unmittelbar danach von 50 ml Glukose 50 % (25 g Glukose insgesamt). Die Wirkung setzt nach 10–20 Minuten ein, erreicht nach 30–60 Minuten ihr Maximum und hält für 4–6 Stunden an. Auf keinen Fall darf Glukose 50 % als Bolus ohne Insulin gegeben werden, weil durch den osmotischen Effekt der hypertonen Glukose die Gefahr einer akuten Verschlechterung der Hyperkaliämie besteht. Weil durch die Gabe von Insulin und Glukose oft eine Hypoglykämie entsteht, sollte anschließend Glukose 10 % mit 50–75 ml/h gegeben und die Plasmaglukosekonzentration engmaschig überwacht werden. Bei hyperkaliämischen Patienten mit einer Glukosekonzentration ≥ 200– 250 mg/dl sollte Insulin ohne Glukose gegeben werden und die Plasmaglukosekonzentration ebenfalls engmaschig überwacht werden.
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Autoren & Experten: Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Berlin. Facharzt Innere Medizin & Kardiologie, Lebenszeitprofessor i.R. der Charité Berlin. Geschäftsführender Vorstand der Berlin- brandenburgischen Gesellschaft für Herz- und Kreislauferkrankungen e.V. Journalist: Horst K. Berghäuser Literatur, Quellen und Verweise: Rationelle Diagnostik und Therapie in der Inneren Medizin Thieme Verlag Praktische Labordiagnostik - Lehrbuch zur Laboratoriumsmedizin, klinischen Chemie und Hämatologie Grönemeyers Buch der Gesundheit Hallesche Krankenversicherung