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Endokrinologie: Die Stimmung der Frauen hängt von ihren Hormonen ab. Solche Klischees gibt es viele. Wissenschaftlich erwiesen sind nur wenige
Was bist du so zickig? Bekommst du deine Tage?“ Diesen Satz hat wohl jede Frau schon mal gehört. „Es sind die Hormone“, lautet der Satz, der sich nahtlos anschließt. Hoch leben die Klischees! Denn die Hormone sollen im Leben einer Frau wahnsinnig wichtig sein. Einerseits, weil ihr zyklisches Auf und Ab sie Monat für Monat prägt und weil sie großen Einfluss in Umstellungsphasen haben – etwa während und nach der Schwangerschaft oder in den Wechseljahren.
Einfache Erklärungen
Andererseits werden den Hormonen schon fast übersinnliche Kräfte zugesprochen. wenn es darum geht. Gründe für weibliche Missstimmungen festzustellen. „Wenn Menschen Beschwerden haben, suchen sie nach Erklärungen. Dann bemühen sie häufig das Wetter und das Essen. „Bei ge- scidechtsspezifischen Dingen sind es besonders gerne die Hormone“, sagt Dr. Maria Beckermann, Gynäkologin und Psychotherapeutin.
Viele Studien mit Mängeln
Aber stimmt es denn tatsächlich, dass Hormone die Macht haben, unsere Stimmungen zu steuern? „Wir werden nicht von Hormonen überflutet, und sie beeinflussen nicht unser gesamtes Dasein“, sagt Professorin Ute- Susann Albert. Chefärztin der Frauenklinik am Krankenhaus Nordwest in Frankfurt am Main. Fakt ist: Es gibt keine guten Studien, die einen Zusammenhang im Sinne einer einfachen Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen den Geschlechtshormonen und der Stimmung beweisen könnten. „Das wäre eine grandiose Überschätzung der Hormone“, sagt Beckermann. Denn sie sind nur ein kleines Puzzleteil in einem großen Mosaik verschiedener Wirkfaktoren.
So beeinflussen beispielsweise die Signalstoffe Serotonin und Endorphin unsere Stimmung. Wir sind ihnen aber nicht wie einem unumstößlichen Naturgesetz ausgeliefert. Vielmehr wird von diesen Stoffen je nach Situation eine größere oder kleinere Menge ausgeschüttet, etwa bei intensivem Sport oder bei einer Geburt. Sie helfen, Belastungen besser zu bewältigen.
Wechseljahre sind schwierig für Frauen
Bei hormonellen Umbrüchen wie den Wechseljahren oder bei zyklusbedingten Schwankungen dagegen spielen auch psychosoziale Mechanismen eine Rolle. „Das haben Studien schon in den 1990er-Jahren bewiesen“. weiß Beckermann. So ist beispielsweise die Einstellung, mit der Frauen den Wechseljahren entgegensehen, von Bedeutung: Ängste vor erwarteten Beschwerden können diese begünstigen.
Warum gute Studien zum Thema selten sind, liegt unter anderem daran. dass „Ergebnisse aus Tierversuchen, auf die sich manche Experten beziehen, nicht einfach auf den Menschen übertragbar sind“, sagt Beckermann. Beobachtungsstudien, die häufig zum Thema Hormone und Stimmung zitiert werden, zeigen nur Zusammenhänge. Ein Beispiel: Forscherhaben festgestellt, dass Frauen während des Zyklus schlechte Tage haben. Daraus kann man aber nicht folgern, dass die Hormone die Ursache dafür wären. Auch kann die gezielte Vorgehensweise der Forscher zu Verzerrungen führen. Denn sie fragen nur nach den schlechten Tagen, nicht nach den guten. Untersuchungen, die in die Zukunft weisen, sind deshalb besser geeignet. Sie legen das Forschungsziel vorher fest und können gute und schlechte Tage berücksichtigen.
Eine weitere Fehlerquelle stellt die Auswahl der Teilnehmerinnen dar. „Wenn man nur Frauen mit Beschwerden einbezieht, ist das nicht repräsentativ für die weibliche Gesamtbevölkerung“, sagt Beckermann.
Nur zwei typische Symptome
Die meisten Studien zu den Begleiterscheinungen der Wechseljahre untersuchten vorwiegend Betroffene. „Der Fragebogen wurde fast immer nur bei Frauen eingesetzt, die sich in diesem Lebensabschnitt befanden“, sagt Professorin Kerstin Weidner, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik am Universitätsklinikum Dresden. Gemeinsam mit Professor Elmar Brähler hat sie in ihrer 2012 veröffentlichten Arbeit untersucht, ob die angeblich für das Klimakterium, also die Wechseljahre, typischen Symptome wirklich vermehrt in diesem Zeitraum auftreten. Dazu hat die Wissenschaftlerin 1350 Frauen im Alter zwischen 14 und 92 Jahren befragt.
Ihre Ergebnisse schlugen Wellen. Denn nur zwei Symptome wiesen eine Spitze in den Wechseljahren auf: Hitzewallungen und Schweißausbrüche. Alle anderen Auffälligkeiten, die typischerweise den Wechseljahren und damit vor allem dem Absinken des Östrogenspiegels zugeschrieben werden, bestätigten sich nicht. Dazu zählen Schlafstörungen, Hamwegs- erkrankungen, Herz- und Gelenkbeschwerden, Scheidentrockenheit sowie eine schlechte Stimmung oder Niedergeschlagenheit.

Progesteron (Gelbkörperhormon) schüttet der Körper nach dem Eisprung aus. Es erhöht die Versorgung der Gebärmutterschleimhaut mit Nährstoffen und sorgt so dafür, dass ein befruchtetes Ei eine optimale Grundlage zum Einnisten vorfindet.
Testosteron fördert den Muskelaufbau. Es kann sich auch auf das Lustempfinden auswirken. „Aber es ist nicht erwiesen, dass eine Hormongabe bei mangelnder Libido hilft. Zu beachten ist, dass Nebenwirkungen wie Kopfhaarverlust, Akne und männliche Gesichts- und Brustbehaarung auftreten können“, sagt Ute-Susann Albert.
Oxytocin bewirkt, dass Wehen einsetzen, und stimuliert den Milcheinschuss. „Es ermöglicht auf neurobio- logischer Ebene, dass die Mutter eine intensive Bindung zum Kind aufbauen kann“, so Kerstin Weidner.
Warum sorgen Hormone für schlechte Stimmung?
Auch die zweite Zyklushälfte gilt als symptomatisch für schlechte Stimmung. Das Krankheitsbild nennen Mediziner das prämenstruelle Syndrom (PMS). Sie nehmen an, dass der in der zweiten Zyklushälfte sinkende Östrogenspiegel zu Leistungsabfall, Abgeschlagenheit, Gereiztheit und Niedergeschlagenheit führt.
Immer Trübsinn vor der Regel?
Forscherinnen aus Kanada und Neuseeland bezweifelten das. In einer Metabetrachtung analysierten sie die Daten von mehr als 4000 Frauen aus 47 Studien. die bisher wegen Beschwerden vor der Monatsblutung keinen Arzt aufgesucht hatten. In sieben der 47 Studien waren die Frauen vor ihrer Regel trübsinnig. In 18 Studien ließ sich kein Zusammenhang feststellen. In weiteren 66 18 Studien war die Stimmung an den
Tagen vor der Regel genauso schlecht wie während und kurz nach der Blutung. Vier Studien stellten Stimmungstiefs nur während und kurz nach der Menstruation fest. Für die Forscherinnen ist damit klar: PMS lässt sich wissenschaftlich nicht belegen.
Allerdings würde es der Lebenswirklichkeit vieler Frauen widersprechen, das Phänomen für einen Mythos zu halten. „Es gibt Frauen, die fühlen sich kurz vor ihren Tagen mies“, sagt Dr. Claudia Schumann, Gynäkologin und Psychotherapeutin in Northeim. „Es gibt aber auch Frauen, die fühlen sich kein bisschen mies. Vergleicht man sie, liegt dieselbe Hormonsituation vor.“
Spielt die Antibabypille ein Rolle bei den Hormonen?
Wäre der Zusammenhang eindeutig, müsste die Antibabypille Frauen von PMS heilen. Das trifft in manchen Fällen sogar zu. US-Forscher fanden in einer in der Cochrane Library veröffentlichten Analyse zwar schwache Hinweise darauf, dass eine spezielle Pille mit einer bestimmten Menge Östrogen und dem Progesteron Drospirenon die PMS-Beschwerden verringern konnte. Die Frauen waren unter anderem sozial aktiver und zufriedener mit ihren Partnerschaften. Allerdings litten die Probandinnen vermehrt unter Zwischenblutungen, Übelkeit und Brustschmerzen. Kerstin Weidner hat in ihrer Berufspraxis auch Frauen erlebt, die mit der Pille depressiv wurden und deren sexuelles Verlangen nachließ.
Die Hormone sind also offensichtlich nur ein Bestandteil in einem komplexeren Zu- sammenhang. Weitere und vielleicht viel wichtigere Einflüsse sind die psychosoziale Situation, persönliche und psychische Voraussetzungen und das Selbstbild, das eine Frau hat. Es entsteht auch aus dein, was Mädchen vorgeleht wird. „Wenn eine Mutter ihrer Tochter vermittelt, dass die Hegel schmerzvoll ist und ein Grund dafür, schlecht drauf zu sein, wird die Tochter diese Haltung wahrscheinlich übernehmen“. sagt Weidner.
Denkt man an die Wechseljahre, ist das bei vielen Frauen eine Zeit des Umbruchs: Die Kinder sind größer, das Altern kann Stress verursachen. Manche starten in dieser Phase erst richtig durch – und nehmen einen Job an. „Man muss die Wechseljahre nicht ausschließlich als Krisenzeit begreifen. 30 Prozent der Frauen haben gar keine Beschwerden“, so Beckermann. Das Gefüge dieser Einflüsse bietet also viele Gründe für viele Stimmungen. Mittendrin sind die Hormone. Da bleibt nur ein Klischee übrig: Die Frau, ein Rätsel. Das ist sicher!
Quelle: Apotheken Umschau
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